Beeinflusst der Grundriss den Wert eines Hauses?
Ich bin kürzlich über diese Frage auf Quora gestolpert: „Wie sich der Grundriss und das Design auf den Wert eines Hauses aus?“.
Die kurze Antwort dazu: In jeder Hinsicht!
Persönlich bin ich der Überzeugung, dass der Wert eines Hauses dadurch bestimmt wird, wie lange es in Gebrauch bleiben kann.
Dies ist insbesondere davon abhängig, wie lange das Gebäude von Menschen genutzt werden will – noch vor der Dauerhaftigkeit der Materialien.
Der bekannte japanische Architekt Shigeru Ban arbeitet viel mit in Japan traditionellem Papier. Obwohl Papier ein sehr fragiles Material ist, ist er überzeugt davon, dass nicht das Material bestimmt, wie lange das Bauwerk bestehen bleibt. Viel ausschlaggebend ist, wie intensiv es von den Benutzern geliebt, und deshalb auch gepflegt, wird.
„Auch wenn ein Gebäude aus Papier gebaut ist, wenn die Leute es lieben, wird es ewig stehen“
– Shigeru Ban (lose übersetzt)
Damit möchte ich keinesfalls andeuten, dass das Material keine Rolle spielt – auf jeden Fall machen bessere und zugängliche Materialien den Lauf der Zeit in Würde mit und können einfacher repariert oder ersetzt werden. Aber auch ein Haus aus edelsten Materialien wird der Abrissbirne zum Opfer fallen, wenn der ursprünglichen Besitzer kein Interesse mehr daran hat. Und aufgrund minderwertigem Design oder einem unpraktischem Grundriss auch niemand Anderes.
Was ist ein wertvoller Grundriss?
Aber was macht ein Grundriss oder ein Design in diesem Sinne für die Menschen ‚wertvoll‘, sodass sie es möglichst lange nutzen wollen? Diese Frage stelle ich mir des öfteren, und bin zu folgendem Gedanken gelangt:
Eine wertvoller Grundriss ist einer, der über die Zeit wandelbar ist. Dies heisst in einem konkreten Beispiel, dass der Grundriss ähnlich grosse Räume aufweist. Dies ist entgegen dem heute geläufigen Standard von kleinen Zimmern mit einem riesigen kombinierten offenen Koch- und Wohnbereich.
Mit in etwa gleich grossen Räumen (und dabei können zum Beispiel Wohn- und Essbereich mit einer grossen Doppeltüre verbunden werden) kann ein Wohnhaus problemlos in ein Rechtsanwalts-Büro verwandelt werden. Oder in eine Kleintier-Praxis, ein Mal-Atelier, eine Wohngemeinschaft oder eine Kunst-Gallerie. Du siehst, worauf ich hinaus will?
Wenn also die ursprünglichen Bewohner des – sagen wir mal – Wohnhauses inmitten einer Wirtschaftskrise z.B. zu einem Verkauf gezwungen werden, sehen sie sich einer viel breiteren potentiellen Käufer-Zielgruppe gegenüber.
Und dies nur, weil der Grundriss wandelbar ist.
Mögliche ‚wandelbare‘ Eigenschaften kann man wie folgt zusammenstellen (natürlich nicht abschliessend ):
- Ähnlich grosse Räume bedeuten, dass unterschiedliche Nutzungen möglich sind
- Mehrfach-Erschliessung der Räume bedeutet, dass diese zusammengeschlossen werden können
- Eine eindeutige Adressbildung (klarer, frontaler, offiziell wirkender Eingang) ermöglicht öffentliche Nutzungen
- …
[Beispiel unterschiedlicher Grundriss-Konzepte einer gleich grossen 4.5 Zi-Wohnung]
Was ist wertvolles Design?
Beim Design ist es ein wenig anders. Hier ist meine (ganz persönliche) Prämisse, auf Klassisches und Traditionelles zu bauen, um das Design möglichst lange ‚haltbar‘ zu machen. Man könnte dies als einen Versuch sehen, etwas ‚zeitloses‘ zu erschaffen – aber ich finde der Begriff trifft es nicht wirklich. Zutreffender finde ich das folgende Zitat:
“Der Begriff der Schönheit ist ambivalent. […] So ist die Schönheit eines Stuhles schnell verblasst, wenn er unbequem oder schlecht konstruiert ist. Auch ein schönes Haus verblasst, wenn aus ihm unschöne Dinge hervorgehen. Um in das Wesen der Schönheit vorzudringen, braucht es mehr als den schnellen Blick, wenn sie nachhaltig auf uns wirken soll. Deshalb ist das von Dauer schöne immer klassisch, während das kurzlebige Schöne immer modisch daherkommt.”
– Werner Abt, Gründer des Einrichtungshauses Alinea in Basel, Schrift ‘Visionen und Haltung’
Es gibt gute Gründe, dass Häuser in Altstädten nach wie vor sehr begehrt sind, obwohl sie kilometerweit von heutigen Komfort-Standards entfernt sind. Klassische Designs der letzten 150 Jahre sind in unseren Köpfen nicht mehr als ‚fremd‘ abgespeichert. Aergo wird das Design nicht hinterfragt oder löst zumindest keine negativen Gefühle aus – was bei zeitgenössischer Architektur aus meiner Sicht schon als Erfolg verbucht werden kann.
Zu diesem Thema gibt es eine Unmenge an Gestaltungselementen, die aus meiner Sicht einem Haus eine ‚wertvollere‘ Ausstrahlung verleihen. Einige davon möchte ich hier kurz auflisten:
- Orientation an klassischem Architektur-design (der letzten 150 Jahre). Man muss nicht das Rad neu erfinden, aber man kann es nach seinen Wünschen ‚polieren‘
- Mehrschichtigkeit der Bauteile (z.B. ein Absetzen vom Sockel in der Fassade, oder von einem Dachfries) bedeutet, dass das Haus nicht monoton wirkt – ohne modische ‚Additionen‘
- Eine balancierte Fassade mit sich wiederholenden und aufeinander ausgerichteten Elementen wirkt ausgewogener als eine ‚wilde‘.
- Grosse, separate und hochformatige Fenster wirken edel und bringen viel Licht in die Räume, ohne die Bewohner zu exponieren
- …
[Beispiel unterschiedliche Design-Konzepte. Man kann darüber argumentieren, welches der zwei gleich grossen Häuser besser gefällt. Aber in einer Wert-Diskussion bin ich klar der Meinung, dass das rechte, klassisch angelehnte Haus über einen längeren Zeitraum wertstabiler sein wird.]
Fazit: Wie wirkt sich der Grundriss auf den Wert eines Hauses aus?
Um noch einmal auf die ursprüngliche Frage zurückzugreifenDass sich der Grundriss und das Design auf den Wert eines Hauses auswirkt, steht ausser Frage. Wie ist der Knackpunkt:
Aus meiner Sicht wirkt sich der Grundriss auf der Wert eines Hauses aus, indem der Wert steigt, je wandelbarer der Grundriss ist – da der Wert eines Hauses darauf aufbaut, wie lange es GENUTZT (und z.B. wieder vermietet oder weiterverkauft) werden kann.
Das Design wiederum entscheidet, wie es den Leuten gefällt – ob es die Leute LIEBEN – und entsprechend auch, wie gut und wie lange es gepflegt und umsorgt wird.
Wird ein Haus nicht geliebt, UND wird es nicht genutzt, verfällt es.
Und mit ihm auch sein Wert.