Offerten einholen und mit Unternehmer verhandeln
Du hast ein neues Projekt, welches Dich begeistert und du möchtest dafür eine Offerte einholen. Du hast Dir gut überlegt, was Du willst, und in Deinem Kopf formiert sich gerade das perfekte Projekt – in all seiner Grossartigkeit. Voller Elan gehst Du damit zum Unternehmer oder Handwerksbetrieb. Und dann der Hammer: Dein so perfekt ausgeklügeltes Projekt wird vor deinen Augen regelrecht zerpflückt.
„Das geht so gar nicht, dies ist unmöglich, hier muss man das anders lösen und dort sollte man besser auf die Standard-Lösung ausweichen, etc, etc… und sowieso zu teuer.“Die Enttäuschung ist greifbar.
Willkommen in der Welt des Designs und Architektur (story of our lifes!).
Aber: Nicht verzagen! Es gibt Strategien, die mir als Architektin in der Berufswelt oft gedient haben und das immer noch regelmässig tun. Im Folgenden werde ich Dir helfen, Dich durch Verhandlungen zu manövrieren, sodass Du
a) erreichst was Du willst, und
b) Dein Projekt durch das Fachwissen der Unternehmer und Handwerkerinnen besser wird, und
c) Du Offerten einholen kannst und bei den Kosten keine bösen Überraschungen erlebst
Drei unabhängige Offerten und Meinungen einholen
Unternehmer und Handwerker bieten neben ihren Arbeiten noch etwas viel Wertvolleres: Wissen! Du musst Dir zwingend für Dein Projekt – egal welcher Grösse – mehrere Meinungen und Offerten einholen. Als Faustregel gilt: Lass dir von drei verschiedenen Unternehmern einen Preis für die gleiche Leistung anbieten. Die Preise müssen vergleichbar sein – versuche also, den Anliegen möglichst genau zu beschreiben. Je genauer dein Beschrieb, desto genauer die Offerte, und desto vergleichbarer werden die Angebote. Ich mache mal ein einfaches Beispiel. Du willst den Spannteppich in deinem Wohnzimmer mit einem schönen Parkett ersetzen. Der Beschrieb könnte in etwa so aussehen:
Musterbeispiel Beschrieb für eine Offerte:
- Besichtigung und Gespräch vor Ort inkl. Anfahrt (dies ist oft kostenlos, wenn es danach zu einem Auftrag kommt)
- Vorgängige Bemusterung des Parketts mit Handmuster
- Fachmännisches Abdecken und Schützen der Wohnung gegen Staub, Baustellenschuhe etc.
- Entfernen und fachmännische Entsorgung des Spannteppich
- Reinigen des Unterlagsbodens und eventuells Schleifen – Erstellen eines sauberen Untergrunds für den Parkett
- Verlegen Parkett Typ X (z.B. Stabparkett Eiche 100cm x 5cm mit 4mm Nutzschicht), schwimmend, Fischgratmuster, inkl alle nötigen Arbeitsschritten, Kleber etc.
- Leichtes Anschleifen vom Parkett
- 2-faches Ölen mit nicht anfeuerndem Öl (‚anfeuernd‘ heisst, dass der Parkett mit dem Öl gelblich wird – das wollen wir nicht)
- Anbringen von Sockelleisten Eiche Sicht, 10x30mm, sichtbar geschraubt
- inkl. Reinigungsmittel
Schicke diesen Beschrieb an einen der drei Unternehmer und frage ihn, ob du noch etwas vergessen hast, und was für eine gute Offerte noch mitgerechnet werden müsste. Ein guter Unternehmer hilft dir da gerne. Schicke dann den aktualisierten Beschrieb an zwei andere Unternehmer, und frage nach, wenn du etwas nicht verstehst. Und um Himmels Willen: Nichts versprechen, bevor du nicht alle Angebote gesehen hast. Weitere Tipps zum Offerten einholen findest du übrigens überall im Internet, z.B. auch hier.
Mach dir bewusst: „Ich weiss, das ich nichts weiss“
– dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben.
Auch bei der Erstellung der Beschriebe gilt es daran erinnert zu werden, dass Du nicht alles weisst. Die Experten und Fachfrauen sind dies aus einem guten Grund, nämlich dass sie sich in ihrem Gewerk auskennen und per Definition besser Bescheid wissen als Du.
Worin Du jedoch der absolute Experte oder Expertin bist, ist in Deiner Funktion als Bauherrin – bzw. wenn es um die Projektanforderungen geht. Denn Du weisst am besten, was Du willst. Sie wiederum wissen am besten, wie man Deine Ideen umsetzt.
Du weisst am besten, was Du willst. Sie wissen am besten, wie man Deine Ideen umsetzt.
Eine Expertenmeinung ist von unschätzbarem Wert, auch wenn Du ihr nicht immer zustimmen musst. Ein cooler Fakt ist, dass Kritik an Deinen vermeintlich ‚perfekten‘ Ideen eine absolute Win-Win-Situation darstellt:
Entweder hat der Unternehmer eine bessere Idee um etwas besser zu lösen (in etwas 80% der Fälle) womit Dein Projekt besser wird. Oder Du merkst, dass es in die falsche Richtung geht, und fühlst Dich in Deiner ursprünglichen Idee bestätigt (in etwa 20% der Fälle).
In diesem Fall musst Du darum kämpfen!
Du musst kämpfen für das, was Dir wichtig ist
Viele knicken – insbesondere in einem persönlichen Gespräch mit einem Unternehmer – an einem Punkt ein und akzeptieren eine Lösung, mich welcher sie eigentlich nicht zufrieden sind. Das ist inakzeptabel. Es ist Dein Projekt und ich will für Dich, dass Du das Beste rausholen kannst. Im Gegenzug musst Du bereit sein, bei den Dir wichtigen Dingen hart zu bleiben und keine Kompromisse einzugehen.
Aber was sind die ‚wichtigen‘ Dinge? Wofür lohnt es sich zu kämpfen, und wo ist Deine Energie verschwendet? Es bringt niemandem was, wenn Du versuchst, alles durchzusetzen (und seien wir ehrlich: Du kannst definitiv auch falsch liegen). Also müssen Prioritäten gesetzt werden. Wenn Du noch keine Prioritätenanalyse gemacht hast, ist jetzt der richtige Zeitpunkt.
Dafür brauchst Du 10 Minuten Zeit, ein Blatt Papier und eine Stift.
Schritt 1:
- Gib Deinem Projekt einen coolen Projektnamen und schreib ihn in die Mitte des Blatt Papiers (das kann auch nur ‚Parkett Wohnzimmer‘ sein)
- Schreibe alle Stichwörter auf, die Du als coole Idee in Verbindung mit dem Projekt (hier ein Tiny House) verbindest.
- Arrangiere die Wörter ungeordnet um den Projektnahmen herum.
Schritt 2:
- Umrande in einer ersten Runde alle Wörter, die für Dich absolut zwingend dabei sein müssen, ohne Wenn und Aber.
- Umrande in einer zweiten Runde alle anderen Wörter, die Du haben willst – und noch cool wären.
- In einer letzten Runde gehe noch einmal durch und umrande noch einmal die, die Dir jetzt aber wirklich wichtig sind. Zum Schluss sollten die Dir wirklich wichtigen Dinge kaum noch zu erkennen sein unter den vielen Markierungen und Kreisen!
- Repetiere so lange, bis Du Dir sicher bist.
Teamarbeit statt Konfrontation
Mir ist wichtig zu betonen, dass mit ‚keine Kompromisse eingehen‘ nicht gemeint ist, dass Du bei allen Dingen stur bleibst und versuchst, die Handwerkerinnen in eine Richtung zu zwingen. Remember: Du kannst definitiv auch unrecht haben. Es geht weder beim Verhandeln, noch beim Offerten einholen niemals um Konfrontation, sonder darum als Team die beste Lösung zu finden.
Es geht niemals um Konfrontation, sondern darum als Team die beste Lösung zu finden.
Ein (nicht ganz fiktives) Beispiel:
Ich habe ein Tiny House gebaut und wollte unbedingt eines mit einem Giebeldach. Der Handwerker, in dessen Werkstatt ich das Ding gebaut habe war aber auf gebogene Tonnendächer spezialisiert und sagte mir klar und mit Nachdruck, dass ein Giebeldach viel zu kompliziert wird für ein so kleines Gebäude (womit er theoretisch ja schon recht hatte), und dass ein Giebeldach platzmässig höchst ineffizient ist gegenüber einem Tonnendach (was man auch nicht leugnen konnte).
Was jetzt? Wer bin ich, dass ich dem Handwerker sage was geht und was nicht? Ich, die keine Ahnung oder Erfahrung habe in Sachen Dachkonstruktionen? Aber ich wollte das Giebeldach! Es war äusserst wichtig für mich – und stand in der Prioritätenliste ganz oben, fett umrandet. Und so habe ich es dann auch gebaut. War es effizient? Nein. War es einfach? Nope, es musste viel Hirnschmalz reingebuttert werden. Aber war ich zum Schluss zufrieden? AUF JEDEN FALL, ich habe es keine Sekunde bereut.
Fazit: Erfolgreich Offerten einholen und verhandeln
Abschließend bleibt zu sagen: Erfolgreich verhandeln mit Unternehmer bei einem Projekt – egal welcher Grösse, erfordert nicht nur die genaue Formulierung von dem, was gemacht werden soll, sondern auch die Bereitschaft, auf Expertenmeinungen zu hören, ohne die eigenen Vorstellungen aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, Deine Prioritäten zu kennen, gezielt einzusetzen und gleichzeitig offen für Vorschläge zu bleiben, die das Endergebnis möglicherweise sogar verbessern. Es ist ein Balanceakt – doch wenn Du dich traust, nachzufragen, im Zweifel zu deinen Wünschen stehen kannst und gemeinsam mit den Fachleuten die beste Lösung suchst, wirst Du gute Offerten einholen können, keine Überraschungen erleben und zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gelangen.
Übrigens hab ich eine downloadbare Checkliste erstellt, wie du eine Offert einholen kannst. Damit auch nichts vergessen geht!