Die versteckten Kosten von DIY (Beispiel Tiny House)

Was kostet zum Beispiel ein Tiny House in der Schweiz? Die kurze Antwort lautet: zwischen 15’000 und 200’000+ CHF. Nach oben hin gib es keine Grenzen. Entscheidend ist, wie viel Arbeit Du bereit bist, reinzustecken. Noch vor Grösse, Bauart oder Ausbaustandard.

Meine Hypothese ist, dass alle Tiny Häuser im Grunde das Gleiche kosten – egal, ob Du sie selber baust oder bauen lässt. Nur die Währung ist unterschiedlich. Du zahlst in Zeit oder Geld. Diese Hypothese werde ich im Folgenden anhand einem schematischen und einem realen Beispiel aus meinem Leben untersuchen.

Architektieren Skizze 061 Tiny Haus Kosten

ZEIT oder Geld?

Wenn ich morgens aufstehe, mich aufs Fahrrad schwinge und zu meinem Arbeitgeber ins Architekturbüro radle, treffe ich eine unbewusste Entscheidung. Nämlich, dass ich auch heute wieder 8 bis 9 Stunden meiner Zeit gegen Geld tausche. Ich fahre ja nicht zum Spass ins Büro, sondern erwarte im Gegenzug, dass mein Gehalt am Ende des Monats auf meinem Bankkonto liegt und mich für diese Zeit entschädigt.

Wenn Du 100% arbeitest, verkaufst Du Montags bis Freitags täglich 8-9 Stunden Deiner Zeit an Deinen Arbeitgeber. Normalerweise hast Du Samstags und Sonntags frei, obwohl Du -theoretisch-auch an diesen Tagen arbeiten könntest. Vielleicht willst Du das nicht, weil Du diese Tage lieber mit Freunden und Familie verbringst, oder Dich von der Arbeit erholst. Das freie Wochenende ist für Dich also wichtiger als Geld.

Architektieren Skizze 062 Arbeit vs. Freizeit

Jede und Jeder in einem Arbeitnehmer-Verhältnis orientiert sich an diesem Prinzip. Sobald Du arbeitest, tauschst Du automatisch Deine Zeit gegen Geld.
In der Arbeitswelt scheint dies so selbstverständlich zu sein, dass ich mich wundere, wie wenig dieses Prinzip ausserhalb der Arbeit anerkannt wird – obwohl es auch für Deine unbezahlte Freizeit gilt.

Profi vs. Do it Yourself

Ein Profi oder Fachmann ist im Ausführen einer Arbeit immer schneller und effizienter als ein Laie. Für diese Fähigkeit wird er ja auch bezahlt. Das Knowhow, wie etwas schnell und effizient zu machen ist, spricht ihr oder ihm den Expertenstatus zu.

Ein Beispiel:
Ich kann mein Fahrrad nicht selbst reparieren. Vielleicht würde ich es mit Hilfe von Youtube und co. halbwegs hinkriegen. Aber Reparatur und Mechanik interessiert mich nicht brennend – und meine Freizeit möchte ich mit Dingen verbringen, die mir Spass machen (zum Beispiel diesen Blog schreiben). Also bringe ich das Fahrrad zum Fahrradmechaniker. Er repariert es in einer Stunde, was mich 100 CHF kostet (das Leben in Zürich ist verdammt teuer).
Mein Freund hingegen liebt Maschinen und Tüfteleien aller Art. Er repariert seine Fahrräder ausschliesslich selbst. Er hat Spass dabei, und spart Geld – investiert aber als Laie und ohne ausgerüstete Werkstatt 2-3 Stunden in die gleiche Reparatur.

Architektieren Skizze 063 Fahrrad

Du siehst, wie in diesem Beispiel Zeit (DIY Reparatur) gegen Geld (professionelle Reparatur) getauscht wurde? In diesem Fall benötigte der Laie (mein Freund) für die gleiche Arbeit proportional mehr Zeit als der Fachmann.
Genauso verhält es sich auch bei Dir und Deinem Tiny House.

Versteckte OpportunitätsKosten

Ein Beispiel für einen geplanten DIY Tiny House Bau:
Du hast bisher 100% gearbeitet. Du beschliesst ein Jahr frei zu nehmen, um diese Zeit in den DIY-Bau zu investieren. Das bedeutet, dass Dir in dieser Zeit Dein sonstiges Einkommen durch die Lappen geht. Bei 12 Monatslöhnen zu z.B. 5’000 CHF netto pro Monat beträgt diese Summe satte 60’000 CHF.

Diese 60’000 CHF sind Deine Opportunitätskosten. Ein Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre, der keine echten Kosten im Sinne der Kostenrechnung darstellt, sondern den ‚entgangenen Gewinn‘. Oder anders formuliert: Während Du Zeit in Deinen Tiny House Bau investierst, könntest Du theoretisch arbeiten gehen und Geld verdienen. Auf dieses Einkommen musst Du aber verzichten. Du hast Geld gegen Zeit eingetauscht.

DIY Tiny House

  • DIY Zeit-Investition: 1 Jahr
    = 100% Arbeitszeit
  • Sichtbare Kosten
    Material: 25’000 CHF
  • Unsichtbare Kosten
    Verpasstes Einkommen: 60’000 CHF
  • Tatsächliche Gesamtkosten
    sichtbar und unsichtbar: 85’000 CHF
Architektieren Skizze Tiny Haus Fassade

Nehmen wir an, Du willst Dein Tiny House günstig in Selbstbau bauen. Die Untergrenze für die Materialkosten eines kleinen Tiny Hauses liegt bei etwa 15’000 CHF. Das ist aber nur realistisch, wenn du ALLES, jeden Schritt, selber machst. Als Laie wirst Du dafür wahrscheinlich länger als ein Jahr brauchen. [Anmerkung: das ist eine etwas wilde Behauptung. Hast Du es in kürzerer Zeit geschafft, erzähle uns bitte davon in den Kommentaren!] Deshalb gehe ich hier von realistischeren 25’000 CHF Materialkosten aus.
Wieso? Günstig bauen ist aufwändiger. Du muss viel Recherche in die günstigste Technik und die günstigsten Produkte investieren, oder die Suche von gebrauchten Fenster.
Über den Zeitraum von einem Jahr kosten dich die Opportunitätskosten also nicht nur 25’000 CHF an Material, sondern auch 60’000 CHF an unsichtbaren Kosten. Daraus ergeben sich für Sie 85’000 CHF sichtbare und unsichtbare Kosten.

Was denkst Du, was die komplette Erstellung durch einen Profi gekostet hätte?

Beispiel aus dem realen Leben

Das zweite Beispiel ist mein erstes Projekt, der einfache Garten Pavillon, der im November 2022 fertiggestellt wurde. Hier habe ich tatsächlich genaue Zahlen, da wir alle Kosten des Pavillons exakt beziffern können. Ich habe die Rechnung etwas vereinfacht, aber im Großen und Ganzen stimmt sie mit den tatsächlichen Zahlen überein.

Von Januar bis November 2022 habe ich jeden Mittwoch in dieses Projekt investiert – in die Planung und den eigentlichen Bau. Das sind etwa 48 Wochen – mal je einen Mittwoch – also eine Arbeitszeit von 48 Tagen oder fast zehn Arbeitswochen. Die Materialkosten, inklusive Transport, betrugen knapp 7’000 CHF. Alle Arbeiten wurden von mir als Schreiner-Laiin unter Anleitung von Profis im professionell eingerichteten Holzlabor Winterthur selber ausgeführt. In einem weniger professionellen Umfeld wäre der Zeitaufwand sicher viel höher gewesen.

DIY Garten Pavillon

  • DIY Zeit-Investition: 48 Tage
    = ca. 20% Arbeitszeit
  • Sichtbare Kosten
    Material: 7’000 CHF
  • Unsichtbare Kosten
    Verpasstes Einkommen: 13’000 CHF
  • Tatsächliche Gesamtkosten
    sichtbar und unsichtbar: 20’000 CHF
Architektieren_Skizze_42 Tiny Haus Pavillon


Gehen wir davon aus, dass ich von den 252 Arbeitstagen im Jahr 2022 nur während den konkreten 48 Tagen unbezahlt frei genommen hätte um an dem Pavillon zu arbeiten. Dies entspricht einem restlichen Arbeitspensum im Architekturbüro – meinem eigentlichen Job – von ca. 80%.

  • Lohn im Büro 100%: 65’000 CHF (12 Monatslöhne)
  • Lohn im Büro 80%: 52’000 CHF
  • Differenz: 13’000 CHF

Meine investierte Zeit von 20% ist also -in Geld aufgewogen- 13’000 CHF wert. Wenn Du Dir bewusst sein willst, wie viel Dein Projekt im Gesamtkontext kostet, wird dieser unsichtbare Betrag der Opportunitätskosten zwar nicht in Form von Geldscheinen bezahlt – darf aber in Deiner Gesamtrechnung nicht ignoriert werden.

Es geht nicht immer um Geld!

Dass Deine Zeit wertvoll ist, steht ausser Frage. Aber es geht nicht immer nur um Geld, wo kämen wir mit dieser rein kapitalistischen Denkweise hin? Persönlich bin ich überzeugt, dass Zeit viel wertvoller ist als Geld, da niemals mehr davon produziert werden kann. Zeit ist die wahre Ressource, die nicht vermehrt werden kann.

Zeit kann zweifellos einen Mehrwert gegenüber Geld darstellen. Gerade beim Tiny House Bau oder anderen DIY-Projekten. Du erlernst ein neues Handwerk, Du erstellst etwas mit Deinen Händen auf was Du stolz sein kannst, und Du machst viele Erfahrungen, die Dir ein Leben lang bleiben – alles unbezahlbare Dinge

Persönlich plane und baue ich leidenschaftlich gerne – das war auch der Grund für das DIY Pavillon-Projekt. Ich wollte lernen, wie man so etwas macht. Das wäre nicht möglich gewesen, hätte ich den Pavillon bauen lassen.

Wie Du Die OpportunitätsKosten minimierst

Minimierung der Opportunitätskosten bedeutet Optimierung der Zeit. Heutzutage ist die Arbeitszeit teurer als das Material. Entsprechend auch Deine Zeit. Und Du als Laie brauchst wie schon erwähnt mehr davon.

Vor diesem Gedanken-Hintergrund scheint es insgesamt am günstigsten, Dein Tiny House komplett bauen zu lassen. Aber deshalb bist Du ja nicht hier 🙂 Deshalb hier einige Vorschläge, wie Du Deine Opportunitätskosten in den Griff bekommst:

  • An einem Stück arbeiten
  • Spazialarbeiten auslagern
  • Play Hard

An einem Stück arbeiten

Ich habe in meinem erwähnten Pavillon-Projekt die Erfahrung gemacht, dass es ungefähr so effizient ist, nur jeden Mittwoch zu arbeiten, wie jede Kleidungskategorie einzeln zu waschen. Eine Wäsche für die Socken, eine für die Unterhosen, dann eine mit Geschirrtüchern, eine für Hemden, eine für die T-Shirts, usw. Es geht nicht nur um die Nettowaschzeit, sondern auch um den Aufwand, die Wäsche jedes Mal ein- und ausräumen.

Jeder Neubeginn ist mit unproduktiver Arbeit verbunden. Werkzeuge suchen, Maschinen einstellen, Stückzahlen prüfen, Pläne studieren usw. Das nächste Mal werde ich auf jeden Fall das ganze Projekt – oder zumindest dessen Ausführung – in einem Stück anvisieren. Das ist viel effizienter. Viel schneller. Weniger Zeit. Weniger Kosten. Wenn man nicht alles am Stück machen kann, dann sind mehrere Tage hintereinander sicher auch hilfreich.

Spezialarbeiten an Profis auslagern

Es gibt einfach Arbeiten, bei denen man als Laie extrem viel mehr Zeit braucht als ein Profi. Hier lohnt es sich, zumindest punktuell Hilfe zu holen.

Inzwischen kann ich besser mit Holz arbeiten. Aber Metall? Nope. Absolut null Erfahrung und kein Zugang zu Maschinen. Mich in alles von null auf eindenken, recherchieren und versuchen auszuführen, für eine simple Dachrinne? Eine Sache von mehreren Tagen für mich. Bei der Dachrinne des Pavillons habe ich daher den Profi-Spengler Julian Scheiwiller um deren Ausführung angefragt. Julian macht mit seinem Einzelunternehmen ‚Reparaturen Vieler Art‘ fast alle Dächer für die Wägen vom Holzlabor. #notsponsored

Vielleicht hatte ich in meiner Neugierde auf Blecharbeiten ein paar Fragen zu viel gestellt – auf jeden Fall durfte ich in Julians Werkstatt sogar bei der Herstellung der Dachrinne mithelfen. In einer Stunde waren wir fertig! Effizienz und Lerneffekt zugleich – für mich der heilige Gral.
Andere Dinge kann man bei Bedarf punktuell auslagern:

  • Vorbereitung des Chassis bei einem Tiny House auf Rädern
  • Grundkonstruktion
  • Sanitär- und Elektroarbeiten
  • Spezial-Möbel im Innern, z.B. Küche
  • Bewilligung und Rechtliches

Der ‚Play Hard‘ Ansatz

Viele dümpeln mit ihren Projekten ein bisschen dahin. Etwas abklären, ein paar Wochen auf die Antwort warten. Hier ein wenig schleifen, eine Bohrmaschine suchen, dann zum Baumarkt fahren, wieder ein wenig schleifen. Und schon ist der Tag um.

Schluss damit! Wenn Du Dein Projekt in diesem Jahrzehnt abschliessen willst, musst Du ein bisschen ‚härter‘ spielen. Spielen ja, weil es soll ja Spass machen. Schliesslich ist das Deine Freizeit – und niemand will Stress neben der Arbeit.
ABER es gibt sicherlich Punkte, an denen Du effizienter werden kannst, ohne ins schwitzen zu kommen. Der Homo Sapiens braucht immer so viel Zeit für eine Aufgabe, wie ihm zur Verfügung steht. Dieses Prinzip ist auch als eines der Parkinsonsche Gesetze bekannt.

Die Lösung ist nicht, dass Du ständig gestresst sein musst. Aber ein wenig künstlicher Zeitdruck kann wahre Wunder wirken. Wenn Du Dir weniger Zeit für eine Aufgabe nimmst, dann wirst Du sie in dieser kürzeren Zeit auch schaffen.

Fazit

Was kostet also Dein Tiny House insgesamt? Opportunitätskosten sind zwar kein „echtes“ Geld. Dennoch stellen sie einen Wert dar, den Du sorgfältig mit Deinen eigenen Werten und dem, was Dir wichtig ist, abwägen musst. Wo willst Du Deine Zeit investieren? Was machst Du gerne oder wo willst Du lernen? Konzentriere Dich auf diese Bereiche.
Und vergiss nicht:

Geringe Kosten bedeuten in direkter Korrelation, dass Du mehr von Deiner eigenen Zeit investierst – und die ist nicht umsonst.

Wie war bei Dir das Verhältnis zwischen Fachleuten und Laien? Hast Du während des Baus gearbeitet? In Teilzeit? Wie hast Du alles gemanagt?
Welche Arbeiten hast Du ausgelagert bzw. planst Du auszulagern, und warum?

Architektieren Skizze 061 Tiny Haus Waage

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