Radikale Tiny House Grundriss-Konzepte

Hast Du keine Lust mehr, Stunden- oder Tagelang Grundrisse herumzuschieben? Dies ist ein Versuch, einige radikale, alternative Tiny House Grundriss- Konzepte aufzustellen, die diesem Prozess vereinfachen können.

Grundsätzlich möchte man bei der Grundriss-Planung von einem kleinen Raum oder Tiny House die gleiche Wirkung erreichen, wie bei einer ganzen Wohnung: die Räume sollen angenehm, hell, wohnlich und grosszügig sein. Das sind allgemein-gültige Kriterien, denn niemand bekommt mit einem Wohnungs-Inserat mit der Überschrift ‘unangenehme, dunkle, unwohnliche und enge Wohnung zu vermieten’ auch nur eine einzige Anfrage.

Natürlich gibt es noch mehr Kriterien. Aber diese oben genannten bilden die essentielle Basis, um einen interessanten Tiny House Grundriss zu planen. Das ist auf einem so kleinen Raum, wie Du das planst, speziell für einen der genannten Faktoren *räusper*grosszügig*räusper* ein bisschen schwierig.

Der Normalfall:
Die übliche Strategie ist die, dass die essentiellen Dinge einer ‘normalen’ Wohnung wie Küche, WC, Bett und so weiter eins zu eins in die Fläche einfügt werden, die man zur Verfügung hat – in Deinen Fall eine Fläche von ca. 2.5 mal 5-10 Meter. Du bestimmst was Du willst (ein bisschen Hilfe bekommst Du hier) Ein bisschen herumschieben, bis es irgendwie passt und man überall gut dazu kommt, und voilà! Fertiger Tiny House Grundriss!
So einfach ist es leider nicht.

Architektieren_Grundriss

alternative konzepte

Ich bin der Ansicht, dass diese Strategie von einer 1:1 – Übertragung mangelhaft ist und letztlich nicht zu befriedigenden, sondern ‘eingepferchten’ Wohn-Situation führt.
Ein kleiner Raum kann nicht mit der gleichen Strategie geplant werden wie eine ganze Wohnung!

Im Folgenden versuche ich Alternativ-Strategien aufzuzeigen, die auf einem 2.5 Meter breiten, und 5 bis 10 Meter langen Grundriss meines Erachtens besser funktionieren. Ich nenne sie A, B, C, D und E. Nicht aus Mangel an Fantasie, sondern damit man sie später besser und übersichtlicher kombinieren kann.

Jede der Strategien stellt für sich gestellt (aus meiner bescheidenen – und vielleicht ja komplett falschen – Sicht) eine Verbesserung dar, kann aber in Kombination mit einer oder mehreren Anderen noch eine bessere Wirkung erreichen. Je weiter im Alphabet, desto radikaler die Ideen (und desto interessanter die Wohn-Wirkung).

Architektieren_GrundrissKonzepte Tiny Haus Grundriss


DEFAULT-STRATEGIE A:
Möbel aufgereiht an allen vier Wänden

STRATEGIE B
Möbel weg von der Wand

STRATEGIE C
Wohnräume an die Enden

STRATEGIE D
Möbelwand

STRATEGIE E
Maximal radikaler, offener Raum

STRATEGIE B

Möbel weg von der Wand
[Anmerkung: wir fangen bei Strategie B an. Der Fokus liegt hier auf Alternativ-Strategien].

Meine Kritik der Default-Strategie betrifft im Speziellen die Introvertiertheit, die dadurch entsteht, dass alle Möbel an der Aussenwand aufgereiht sind.
So bleibt nur der Platz oberhalb oder zwischen den Möbeln frei für Fenster. Diese sind dann meist klein und unterschiedlich gross, was einen dunklen und unruhigen Eindruck zur Folge hat.

Als Alternative kann man versuchen, einige Möbel von der Aussenwand abzurücken. So entsteht eine grössere Flexibilität im Grundriss und in der Fassade. Und Du hast dann mehr Optionen für die Fassadengestaltung, wo Du bei der Normal-Strategie meist nur genau eine Option hast.

Deine Küche wird zu kurz? Wieso nicht die Hochschränke um die Ecke ziehen und sie mit Garderobenschränken verschmelzen?

Architektieren_GrundrissKonzepte_B Tiny Haus Grundriss

strategie C

Wohnräume an die Enden.

Wieso sind Eck-Büros und Einfamilienhäuser so beliebt? Sie verfügen über Räume mit Fenster über Eck! Dieses behagliche und grosszügige Gefühl rührt vermutlich daher, dass man im Raum selber geschützt ist, aber gleichzeitig über einen Überblick verfügt, was ausserhalb des Raumes passiert. Eine zusätzliche Wand im Rücken gibt uns Sicherheit und lädt – gepaart mit Übersichtlichkeit – zum entspannen und beobachten ein.

Bei einem klassichen Tiny House Grundriss ist der Wohnraum ein Durchgangsraum, mit Fenstern auf den zwei gegenüberliegenden Seiten- Aussenwänden. Die anderen hinteren und vorderen Wände sind perforiert durch Durchgangstüren in z.B. Badezimmer und Schlafzimmer. Es gibt also keine ruhige Ecke oder Wand, wo man sich ‘sicher’ fühlen kann.

Es mag konterintuitiv wirken, einen kleinen Raum noch einmal in der Mitte zu unterteilen. Aber die zwei entstehenden Räume gewinnen extrem an Qualität, wenn sie keine Durchgansräume sind. Sie haben mehr Ruhe und können über Eck mit Fenstern ausgestattet werden – ein Luxus, selbst im High-End Büro Bereich!

Architektieren_GrundrissKonzepte_C Tiny Haus Grundriss

strategie D

Möbelwand.

Eine Möbelwand ist der Klassiker unter den Platzspar-Konzepten. Du kennst vermutlich das Murphy-Bett. Das ist ein Bett, welches normalerweise in der Wand verstaut ist und bei Bedarf heruntergeklappt werden kann.
Wenn man diesen Ansatz radikal erweitert, kann man theoretisch alle Möbel in der Wand unterbringen, fix installiert oder herausnehmbar. Leonardo di Chiara hat diesen Ansatz geradezu perfektioniert mit seinem ‚aVoid‚ Tiny House.

Das Resultat ist ein leerer, frei bespielbarer und flexibler Raum, der spontan in eine Dinnerparty, in ein Home-Office oder ein Atelier verwandelt werden kann.
Tüftel-technisch ist das wohl die Variante, die von Dir am meisten Erfindungs-Reichtum abverlangt. Aber vielleicht nimmst Du diese Herausforderung ja begeistert an? Dies ist übrigens die Strategie, die ich mit meinem aktuellen Projekt verfolge – auch wenn ich ein bisschen schummle und die Küche in die Mitte stelle :).

Architektieren_GrundrissKonzepte_D Tiny Haus Grundriss

strategie e

Maximal radikaler, offener Raum.

Im noch radikaleren Fall von Konzept D wird ganz auf konventionelle Möbel verzichtet und akzeptiert, dass Möbel nicht der richtige Masstab sind für ein Tiny House, und das meiste aus einer Fläche herausbekommen werden kann, wenn man auch die GANZE Fläche aktiv nutzt – Sprich, der Boden ist Dein Möbel. Dieser Ansatz eignet sich vermutlich weniger für ein Tiny House, welches als Wohnsitz genutzt wird – ausser Du bist eine extreme Minimalistin.

“Wenn der Japaner einen Tisch braucht, dann bringt er einen Tisch. Wenn er ein Bett braucht, dann bringt er auch das.”

Kiyoyuki Nishihara in seinem Buch ‚Japanese Houses: Patterns for living‘

Der japanische Architekt Kiyoyuki Nishihara sagt es so: “Wenn der Japaner einen Tisch braucht, dann bringt er einen Tisch. Wenn er ein Bett braucht, dann bringt er auch das.”
Es ist eine andere Mentalität gegenüber dem Alltag. Nicht alle Möbel stehen jederzeit am gleichen Platz, egal ob sie benutzt werden oder nicht, sondern werden nur bei Bedarf rausgeholt – und dann auch sofort wieder weggeräumt.

Auf viele Möbel wie Stühle oder Bettgestell wird komplett verzichtet, da man auf dem Boden (um einen niedrigen Tisch) sitzt, und die Fouton-Matratze direkt auf den Boden legt. Da man sich bei dieser Art zu leben eher auf dem Boden bewegt, bieten sich dicke Teppiche oder Tatami-Matten aus Reisstroh an. Die Fenster müssen so ausgerichtet werden, dass man auf dem Boden sitzend nach draussen sehen kann.

In meiner Skizze handelt es sich eher um eine radikalere Version der Möbelwand. Wenn man bereit ist, auf gewisse Dinge wie WC oder Dusche zu verzichten, ergeben sich natürlich mehr Möglichkeiten.

Architektieren_GrundrissKonzepte_E Tiny Haus Grundriss

fazit

Mit diesen eher radikalen Konzepten möchte ich einen Denkanstoss liefern. Es muss nicht immer die Default-Strategie sein. Wenn Du Vollzeit in Deinem Tiny House leben wirst, wirst Du Dich in den Strategien am Anfang vom Alphabet bewegen – das ist schon klar. Du brauchst schliesslich gewisse Dinge, und die lassen sich nicht alle so einfach an eine Wand pressen.

Es kann aber genauso gut sein, dass Du dein Tiny House als Atelier, Workshop, Schriftsteller-Hütte, Homeoffice oder sonst etwas verwenden wirst. In diesem Fall eröffnen sich mehr Möglichkeiten, und ich möchte Dich dazu ermuntern, radikalere Konzepte auszuprobieren.

Hast Du Anregungen? Findest Du das eine oder Andere Konzept interessant? Was kannst Du Dir absolut nicht vorstellen? Hast Du eine eigene Lieblings-Strategie, welche bei Dir funktioniert hat?

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